Von den 4 P zu den 4 E:
Die Evolution des modernen Marketings
Product, Place, Price und Promotion– die 4 P des Marketings. Sie sind die Hauptfaktoren einer erfolgreichen Marketingstrategie und bilden zusammen einen klassischen Marketing-Mix, der Unternehmen dabei hilft, eine ganzheitliche und effektive Marketingstrategie zu entwickeln. Sie sind die Säulen, die das Fundament jeder Marketingstrategie bilden. In der sich rasant wandelnden Welt des Marketings müssen sie jedoch etwas neu interpretiert werden – aus den 4 P werden die 4 E:
Experience, Everyplace, Exchange und Evangelism – vier Schlagworte, die unsere moderne Konsumlandschaft prägen und im Folgenden ausführlich erklärt werden sollen.
"Einzelhändler sind in der Erlebniswirtschaft nicht so sehr durch das erfolgreich, was sie verkaufen, sondern wie sie es verkaufen." -Forbes Magazin
Im traditionellen Sinn steht das Produkt im Mittelpunkt und umfasst die Qualität, das Design und die Markenidentität eines physischen Gutes oder einer Dienstleistung. Es soll etwas schaffen das die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe erfüllt.
In der Ära der Erlebniswirtschaft findet der reine Produktverkauf keinen großen Anklang mehr. Die Grundidee der Erlebniswirtschaft basiert darauf, dass Verbraucher zunehmend nach einzigartigen und unvergesslichen Erfahrungen suchen, die über den reinen Produktkauf hinausgehen. Erfolgreiches Marketing erfordert somit ein ganzheitliches Verständnis des Kaufprozesses. Dieser Ansatz umschließt die gesamte Kundenreise, die weit über den bloßen Erwerb hinausgeht: Der Prozess beginnt mit dem ersten Berührungspunkt des potenziellen Käufers mit Produkt. Er umfasst somit alle Interaktionen während der Kaufentscheidung und des eigentlichen Kaufs. Entscheidend ist auch die Zeit nach dem Kauf, in der das Produkt genutzt und bewertet wird.
Moderne Marketingstrategien sollten daher nicht mehr nur ein Produkt verkaufen, sondern ein durchgängig positives Kundenerlebnis schaffen. Unternehmen wie Apple haben dies perfektioniert: Der Kauf eines iPhones ist nicht nur eine Transaktion, sondern ein Ereignis. Von der aufregenden Unboxing-Erfahrung bis hin zur nahtlosen Integration in das Apple-Ökosystem – jeder Berührungspunkt ist sorgfältig choreographiert, um ein unvergessliches Erlebnis zu schaffen. Das äußert sich ebenfalls im Kaufverhalten von Apple- Kunden: Studien zeigen, dass 92 % der Apple-Kunden als loyal gelten und bei der Anschaffung neuer Geräte bevorzugt Apple-Produkte wählen.
Doch nicht nur Konzerne wie Apple, die mehrere Millionen Kapital in einzelne Werbekampagnen stecken, sollten bzw. sind in der Lage sich an den Grundsatz der Erlebniswirtschaft halten. Als Beispiel lässt sich hier die Freisinger Metzgerei Hack heranziehen: Diese bereitet ihren Kunden mit den 24/7 Smartstores ein automatisiertes Kauferlebnis, indem sie rund um die Uhr einen schnellen und unkomplizierten Einkauf gewährleistet. Außerdem sorgen sie mit innovativen Produkten, eigenen Spezialitäten und einem vielfältigen Sortiment für ein einzigartiges Metzger-Erlebnis.
Die Platzierung oder der ,,Place‘‘ bezieht sich auf die Vertriebsstrategie und die Frage, wie und wo das Produkt für die Kunden zugänglich gemacht wird.
Ob physisches Geschäft, Lagerhäuser oder E-Commerce-Shops – sie alle vereint die Tatsache, dass die Kundschaft zum Händler oder zur Händlerin kommen müssen. Dabei werden die Bedürfnisse und Präferenzen der KundInnen hinsichtlich des Einkaufsortes und der Einkaufsmodalitäten vernachlässigt.
Dieses Konzept muss grundlegend verändert werden: Demnach sollte sich das Unternehmen den KundInnen gegenüber attraktiv präsentieren. Erfolgreiche Marken sind dort, wo ihre Kunden und KundInnen sind – sei es auf Instagram, im Pop-up-Store oder beim lokalen Event. Das Konzept des ,,Everyplace‘‘ geht über die bloße Präsenz hinaus; es schafft ein kohärentes Markenerlebnis über alle Kanäle hinweg. Unternehmen wie Warby Parker haben dies meisterhaft umgesetzt, indem sie ihre Online-Präsenz mit stilvollen physischen Stores ergänzen, die mehr Showroom als traditionelles Geschäft sind.
Die Festlegung des richtigen Preises eines Produktes oder einer Dienstleistung ist entscheidend, da er die Kaufentscheidungen der KundInnen und die Wahrnehmung Ihrer Marke beeinflusst.
Betrachtet man den aktuellen Wirtschaftsmarkt, so erkennt man im Prozess der Preisgestaltung signifikante Änderungen. Aufgrund eines in den meisten Bereichen übersättigten Marktes, sind Preise nicht länger fest, und Qualität garantiert keinen erfolgreichen Verkauf mehr. Der Preis eines Produkts bzw. einer Dienstleistung wird vielmehr zu einem flexibleren Konzept, und Einzelhändler- und Händlerinnen müssen den wahren Wert in Bezug auf den Umsatz über die gesamte Lebensdauer verstehen.
Das Modell SaaS (Software as a Service) gewinnt damit verstärkt an Bedeutung. Viele Unternehmen entscheiden sich im Wettbewerb um Aufmerksamkeit in einem überfüllten Markt dafür Freemium-Optionen anzubieten, um Aufmerksamkeit zu generieren, ein hochwertiges Erlebnis zu demonstrieren und einen langfristigen Kauf zu sichern. Das Freemium-Modell ist eine innovative Geschäftsstrategie, bei dem Unternehmen zwei Versionen ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung anbieten: eine kostenlose Version mit eingeschränktem Funktionsumfang und eine Premiumversion mit umfassenderen Leistungen gegen Bezahlung. Die kostenlose Version soll dabei die Nutzer und NutzerInnen zum Ausprobieren motivieren und zum Kauf der Premiumversion animieren.
Innovative Preismodelle wie "Pay What You Want" oder Subscription-basierte Dienste revolutionieren die Art, wie wir über Wert nachdenken. Spotify beispielsweise hat mit seinem Freemium-Modell nicht nur die Musikindustrie umgekrempelt, sondern auch die Art und Weise, wie Konsumenten Musik wertschätzen und konsumieren.
Darüber hinaus bietet die neue Interpretation des Preis-Faktors auch aus unternehmerischer Sicht viele neue Möglichkeiten. So erschließen sich durch Freemium-Modelle eine Vielzahl neuer Werbeplätze, die von Unternehmen genutzt werden können.
,,Promotion‘‘ sorgt dafür, dass die potenzielle Kunden und Kundinnen von dem Produkt erfahren und zum Kauf motiviert werden. Dies kann durch verschiedene Kommunikationskanäle wie Werbung, PR oder Verkaufsförderung geschehen.
Traditionelles Marketing besteht daraus, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die Kundschaft die Werbeinhalte sieht – ob auf Plakatwänden, im Fernsehen, oder im Radio. In der Ära des Erlebnismarketing führt die ausschließliche Konzentration auf nach außen gerichtete Marketingtaktiken zu einer längst überholten produktzentrierten Strategie.
,,Schwache Marken machen Kundenwerbung, für starke Marken machen Kunden Werbung‘‘. Dieses Zitat stammt vom renommierten Markenexperten und Marketingprofessor Prof. Dr. Karsten Kilian. Es trifft den Kerngedanken der Mundpropaganda – des WOM’s (Word-of-Mouth) und damit des modernen Marketings.
In Zeiten der sozialen Medien und des User-generated Contents endet die Customer Journey nicht am Punkt des Kaufs. Selbst die grundlegendsten Produkte wie Brot und Butter werden, wenn sie dem Käufer oder der Käuferin gefallen, an Freunde und Familie weiterempfohlen. Wenn das Produkt dagegen unbefriedigend ist, wird es für Jahre aus den Haushaltschränken verbannt. Im besten Fall entwickelt sich diese Mundpropaganda zu einem regelrechten Markenfanatismus. Dieser Fanatismus wird auch als Brand Evangelism bezeichnet und beschreibt ein Phänomen, bei dem treue Kunden und Kundinnen zu enthusiastischen BotschafterInnen einer Marke werden.
Unternehmen wie RedBull haben gezeigt, wie mächtig Markenevangelismus sein kann. RedBull hat eine enorme Fangemeinde aufgebaut, die auf jeglichen sozialen Netzwerken aus eigener Motivation und Überzeugung (teils auch unbewusst) Werbung machen. Fans teilen actionreiche Videos, auf denen das RedBull Logo zu sehen ist. Diese Inhalte gehen oft viral und dienen als authentische Werbung für die Marke.

Die erweiterte Perspektive: People, Physical Evidence, Processes
Die Erweiterung des Marketing-Mix um diese drei Elemente unterstreicht die Bedeutung des menschlichen Faktors und der Authentizität im modernen Marketing:
- People: Die Mitarbeiter sind das Gesicht der Marke. Unternehmen wie Zappos haben gezeigt, wie eine starke Unternehmenskultur sich direkt auf die Kundenzufriedenheit auswirkt.
- Physical Evidence: In einer zunehmend digitalen Welt gewinnen greifbare Beweise an Bedeutung. Unboxing-Videos, Produktdemonstrationen und User-Reviews sind zu kritischen Faktoren in der Kaufentscheidung geworden.
- Processes: Die Art und Weise, wie ein Produkt oder eine Dienstleistung geliefert wird, ist oft genauso wichtig wie das Produkt selbst. Amazon hat mit seiner obsessiven Fokussierung auf Kundenservice und Liefereffizienz neue Maßstäbe gesetzt.
Fazit: Die Zukunft des Marketings
Die Transformation von den 4 P zu den 4 E spiegelt einen fundamentalen Wandel im Verständnis von Marketing wider. Es geht nicht mehr darum, Produkte zu verkaufen, sondern darum, Erlebnisse zu schaffen, allgegenwärtig zu sein, Wert zu bieten und Kunden zu Markenbotschaftern zu machen.
In dieser neuen Ära des Marketings werden jene Unternehmen erfolgreich sein, die es verstehen, authentische Verbindungen zu ihren Kunden aufzubauen, flexibel auf sich ändernde Bedürfnisse zu reagieren und ein ganzheitliches, kanalübergreifendes Markenerlebnis zu bieten. Die Zukunft gehört den Marken, die nicht nur verkaufen, sondern inspirieren, engagieren und begeistern.